Verfassungsdebatte: Legastheniker gegen umstrittene Zeugnisvermerke – die Entscheidung ist gefallen.

Verfassungsdebatte: Legastheniker gegen umstrittene Zeugnisvermerke – die Entscheidung ist gefallen.

Legastheniker müssen in ihrem Zeugnis einen Vermerk über nicht benotete Rechtschreibung hinnehmen. Das hat das Verfassungsgericht entschieden. Solche Hinweise dürfen aber nicht auf Legasthenie beschränkt werden.

Müssen nun alle Menschen mit Behinderungen solche Vermerke in Zeugnissen ertragen?

Rein formal betrachtet haben die drei Abiturienten, die vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatten, Recht bekommen. Mit ihrem Hauptanliegen sind sie aber nicht durchgedrungen.

Die drei Kläger sind junge Erwachsene aus Bayern, bei denen fachärztlich Legasthenie festgestellt wurde. Bei Legasthenie handelt es sich um eine Lese- und Rechtschreibstörung. 2010 hatten sie ihr Abitur gemacht. Im Abiturzeugnis wurde vermerkt: „Aufgrund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistungen nicht bewertet.“

Ausgangslage vor der Entscheidung:

Gibt es Nachteile für Arbeitssuchende, wenn in ihren Zeugnissen vermerkt wird: „Auf die Bewertung von Rechtschreibung wurde verzichtet“? Drei ehemalige Abiturienten aus Bayern, mit Legasthenie, sind überzeugt, dass ein solcher Vermerk potenzielle Arbeitgeber abschreckt. Daher haben sie eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Um Schülern mit Behinderungen gleiche Chancen bei Prüfungen zu ermöglichen, erhalten sie einen sogenannten „Nachteilsausgleich“. Für Legastheniker kann dies bedeuten, dass sie beispielsweise mehr Zeit zum Schreiben erhalten. In einigen Bundesländern, darunter Bayern, haben die Schüler die Option, den sogenannten Notenschutz in Anspruch zu nehmen. Lehrer lassen dabei auf Antrag die Rechtschreibung nicht in die Noten einfließen und kennzeichnen diese separate Bewertung auf dem Zeugnis.

Die drei ehemaligen Schüler aus Bayern, die 2010 Abitur gemacht haben, sehen sich durch diese Zeugnisvermerke diskriminiert und haben deswegen geklagt. Sie argumentieren, dass solche Vermerke sie im Berufsleben behindern und ihre Jobchancen schmälern.

Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo argumentiert hingegen, dass diese Vermerke für Transparenz sorgen und zeigen, dass von den üblichen Bewertungsstandards abgewichen wurde. Es ist wichtig, dass Abschlusszeugnisse objektiv vergleichbar sind, und Bayern ist nicht das einzige Bundesland, das diese Praxis anwendet.

Die Anwälte der Kläger stellen jedoch die Unterscheidung zwischen Notenausgleich und Notenschutz infrage. Sie sehen keinen Unterschied zwischen einer Hilfsmaßnahme wie einem Laptop, der die Rechtschreibkontrolle übernimmt, und der Nichtbewertung der Rechtschreibung. Dies wurde in der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ausführlich diskutiert.

Der Dachverband Legasthenie Deutschland unterstützte die Klage. Er teilte die Bedenken über die Unsicherheit vieler Eltern. Diese Art von Stigmatisierung ist tatsächlich einzigartig auf globaler Ebene und ihre Abschaffung sollte ernsthaft in Betracht gezogen werden. Eltern sind unschlüssig, ob sie den Notenschutz für ihre Kinder beantragen sollen, und riskieren damit eine potenzielle Benachteiligung.

In Zeiten moderner Technologien wie ChatGPT und Rechtschreibprogrammen auf Computern ist es nicht mehr notwendig, die Bewertung der Rechtschreibung auf Zeugnissen hervorzuheben. Diese technologischen Hilfsmittel können dazu beitragen, die Auswirkungen von Legasthenie auszugleichen, was eine solche Kennzeichnung im Zeugnis obsolet macht.

Youtube Beitrag ARD „Ehemalige Abiturienten mit Legasthenie am Bundesverfassungsgericht erfolgreich“

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